Die Oribatiden-Arten (Acari) eines suedwestdeutschen Buchenwaldes I.
Author
Beck, L.
Author
Woas, S.
text
carolinea
1991
49
37
82
http://unknown
journal article
ORI5378
Chamobatidae
Vorkommen: In der Streuschicht des Moderbuchenwaldes im Stadtwald Ettlingen sind drei Arten der Gattung
Chamobates
zu unterscheiden:
Chamobates cuspidatus
(Michael, 1884),
regelmaessig
und
haeufig
in der Bodenstreu, nach
Oppiella ornata
und
Tectocepheus
velatus
die
dritthaeufigste
Art in der L-Schicht, daher auch
haeufig
und zahlreich in Barberfallen,
Chamobates pusillus
(Berlese, 1895), selten in der Bodenstreu, aber sehr
haeufig
und sehr zahlreich in Barberfallen, in Moos-Proben, in der Streu am
Fuss
der
Baumstaemme
und im bodennahen Stammbereich,
Chamobates borealis
TRAEGARDH
, 1902, selten in der Bodenstreu,
haeufig
in der Streu am
Fuss
der
Baumstaemme
, auch in Moosproben,
Daneben wurden zwei weitere Arten
Chamobates spinosus
SELLNICK, 1928, in moderndem Holz und in Moos am
Stammfuss
Chamobates birulai
(KULCZYNSKI, 1902) in Streu und Moos am
Fuss
der
Baumstaemme
.
Chamobates spinosus
faellt
durch den breiten
Koerperumriss
und die dunkle
Faerbung
bereits unter dem Stereomikroskop in den Proben auf; er ist eindeutig zu identifizieren anhand der auffallenden,
kraeftigen
und beborsteten Epimeral- und Aggenitalborsten und durch die Kerbe an der Vorder/Unterkante der Pteromorphe. Die Bestimmung aller
uebrigen
Arten bereitet jedoch mehr oder weniger
grosse
Schwierigkeiten. Die
mitteleuropaeischen
Chamobates-Arten
lassen sich, in Anlehnung an Sellnick (1960), bestimmungstechnisch in 4 Gruppen einteilen:
-
Koerpergroesse
ueber
700
ym
:
C. subglobulus
(Oudemans, 1900);
- Pteromorphen am Vorder/Unterrand eingekerbt und dadurch mit wenigstens einer spitzen Ecke; Rostrum mit seitlichen
Zaehnen
; 370-410
ym
:
C. spinosus Sellnick
, 1928,
C. voigtsi
(Oudemans, 1902);
- Pteromorphen vorne/unten gerundet; Rostrum rund bis spitz, mit seitlichen
Zaehnen
; 340-460
ym
:
C. cuspidatus
(Michael, 1884),
C. pusillus
(Berlese, 1895), C.
schuetzi
(Oudemans, 1902),
C. tricuspidatus
Willmann, 1953,
C. birulai Kulczynski
, 1902;
- Pteromorphen vorne/unten gerundet; Rostrum gekerbt, ohne seitliche
Zaehne
; 340-510
ym
:
C. borealis
Traegardh
, 1902,
C. interpositus
Pschorn-Walcher, 1953,
C. longipilis Willmann
, 1953.
Nur die Arten der ersten beiden Gruppen scheinen
einigermassen
klar unterscheidbar zu sein; bei den beiden letzten Gruppen gibt es einige Unklarheiten. Den weitaus
ueberwiegenden
Teil der
Chamobates-Arten
im Untersuchungsgebiet stellt eine kleinere, helle Art, die nach Willmann (1931) und Sellnick (1960) recht gut als
C. cuspidatus
(Michael, 1884) zu bestimmen ist. Neben dem kleinen, hellen
C. cuspidatus
fanden wir in der Bodenstreu vereinzelt eine
groessere
, dunkler
gefaerbte
Art aus der C. cuspidatus-Gruppe, deren Zuordnung nicht zweifelsfrei erscheint: Rostrum sehr
aehnlich
dem von
C. cuspidatus
, aber seitlicher Zahn etwas
staerker
und (Innenkante!) gerade nach vorn, nicht wie bei
C. cuspidatus
leicht mediad verlaufend; Spitze der Lamellen und Custodium ebenfalls etwas
staerker
und
schaerfer
ausgepraegt
; Sensillus ragt als Keule oder
laenglicher
, vorne stumpfer Kolben, aber nicht als runder Kolben auf kurzem Stiel nach vorne und oben,
waehrend
der Sensillus von
C. cuspidatus
deutlich
laenger
und
spindelfoermig
und nach
aussen
gerichtet ist; die Lamellarhaare ebenso lang wie bei
C. cuspidatus
und
ueberragen
das Rostrum (auch in Lateralansicht!) (Abb. 9). Nach Sellnick (1960)
spraechen
Sensillus, scharfspitzige
Rostralzaehne
und
Groesse
(?)
fuer
C. pusillus
(Berlese, 1895), die nicht nach innen geneigten
Rostralzaehne
, vermutlich auch die langen Lamellarhaare dagegen
fuer
C.
schuetzi
(Oudemans, 1902).
Nach Willmann (1931) ist die Art auch nur schwierig einzuordnen, da der
C.
schuetzi
sensu Willmann
(1931) =
C. incisus van der Hammen
, 1952 ist und somit als Alternative zu
C. cuspidatus
nur
C. pusillus
bleibt, obwohl der
C.
schuetzi
nach Abb. 249 (nicht 249a!) unserer Art entsprechen
koennte
. Zu
C.
schuetzi
(Oudemans) bemerkt van der Hammen (1952): Er ist nicht identisch mit
C. pusillus (Berlese)
, den er als
groesser
(450
ym
) beschreibt mit einem Sensillus mit schmalem Kopf und mit ziemlich langen Haaren besetzt, ebenso wie die Lamellarhaare; ebensowenig
haelt
er seinen
C.
schuetzi
(Oudemans)
fuer
identisch mit
C. pusillus sensu Sellnick
und Willmann, der
laenger
sein und anders gestaltete Sensillen und Rostralhaare haben soll. Wir stellen die
groessere
Art aus unserem Material zu
C. pusillus
(Berlese, 1895) und zwar auf der Basis der Beschreibungen von Sellnick (1960) und Willmann (1931).
Die dritte Art aus der C. cuspidatus-Gruppe ist noch schwerer einzuordnen als
C. pusillus
. Der
Koerpergroesse
nach liegt sie mit 425-465
ym
im Bereich von
C. pusillus
, dem sie auch in Ausbildung von Lamelle,
Tutoriym
, Rostral-, Lamellar- und Interlamellarhaar sehr
aehnlich
ist. Der Sensillus entspricht eher dem von
C. cuspidatus
und als
eigenstaendiges
Merkmal bleibt - soweit unsere Untersuchungen derzeit reichen - die Ausbildung des Rostrum: Es ist dreispitzig, wobei die mittlere Spitze mehr oder weniger spitz oder auch breit abgerundet sein kann und das Rostrum dorsal
abschliesst
,
waehrend
die seitlichen Spitzen immer sehr spitz sind und das Rostrum seitlich begrenzen (Abb. 10, 11). In der Literatur sind zwei Arten mit einer derartigen Rostrumform zu finden:
C. tricuspidatus
Willmann, 1953 aus Hasellaubstreu bei Heiligenblut am
Grossglockner
in
Oesterreich
und
C. cuspidatus (Michael) var. birulai Kulczynski
, 1902, von dem uns nur die Beschreibung von
Traegardh
(1904) vorliegt; nach dieser ist diese Form aus Spitzbergen und Lappland bekannt. Erkennt man die Ausbildung des Rostrum
ueberhaupt
als Alternativmerkmal an - die Zweifel daran werden
anschliessend
diskutiert-, dann sollte man auch die Form
birulai
als eigene Art akzeptieren. Nach allem, was nun Beschreibung und Abbildungen von
C. birulai
erkennen lassen, stimmen unsere Exemplare damit weitgehend
ueberein
; sie sind lediglich etwas
groesser
und wohl auch etwas plumper. Ferner
erwaehnt
Traegardh
nur eine kleine Cuspis,
waehrend
unsere Tiere eine deutliche solche besitzen. Zu
C. tricuspidatus
bestehen aber deutlichere Unterschiede: Der Sensillus dieser Art ist offensichtlich wesentlich
laenger
und schlanker, die Lamelle ist ohne
Cuspis
und Lamellar- und Interlamellarhaar sind sehr wahrscheinlich
kuerzer
;
Laenge
und
Laenge
:
Breite-Verhaeltnis
wuerden
allerdings genau
uebereinstimmen
. Angesichts dieser Sachlage ordnen wir unsere Tiere der Art
C. birulai
(Kulczynski, 1902) zu, stellen aber gleichzeitig die ganze Artabgrenzung der C. cuspidatus-Gruppe zur Diskussion. Innerhalb der sicherlich nahverwandten Arten der Gruppe
C. cuspidatus
,
schuetzi
,
pusillus
,
birulai
und tricuspidatus, die alle klein (unter 500
ym
) sind und deren Rostrum seitlich zwei
Zaehne
traegt
, bleibt derzeit lediglich die Kombination zwischen
Koerpergroesse
und Form von Sensillus und Rostrum zu Unterscheidung:
-
C.
schuetzi
345-390
ym
(van der Hammen 1952), 390
ym
(Sellnick 1960); Sensillus mit kurzem Stiel und dickem, fast kugeligem Kopf (van der Hammen 1952:Abb.9a); Rostrum gerundet;
-
C. cuspidatus
360-415
ym
(unser Material), 352
ym
(Sellnick 1960), 375- 400
ym
(Willmann 1931); Sensillus eine lange, schmale Keule oder Spindel; Rostrum gerundet;
-
C. pusillus
410-470
ym
(unser Material), 440
ym
(Sellnick 1960, Willmann 1931), 450
ym
(van der Hammen 1952); Sensillus eine kurze Keule (nicht Spindel) auf kurzen Stiel. Die Abbildung bei Willmann (1931:Abb.251) trifft die
Verhaeltnisse
sehr gut, wenn man annimmt,
dass
das Tier im
Praeparat
nach hinten gekippt lag, so
dass
dadurch die nach oben und eher nach vorne gerichteten Sensillen und Interlamellarhaare nach hinten gerichtet erscheinen und
dass
durch diese Lage die Lamellarhaare
kuerzer
als das Rostrum erscheinen, das sie
tatsaechlich
aber
ueberragen
; Rostrum gerundet;
-
C. birulai
420-465
ym
(unser Material), 390
ym
(Kulczynski 1902), 420
ym
(
Traegardh
1904); Sensillus
maessig
lange Keule bis Spindel; Rostrum dreispitzig, Mittelspitze stumpfer als Seitenspitzen;
-
C. tricuspidatus
450
ym
(Willmann 1953); Sensillus Keule auf sehr langem Stiel; Rostrum dreispitzig mit offenbar relativ spitzer Mittelspitze.
Die Form der Mittelspitze von
C. birulai
variiert in Dorsalansicht zwischen
einigermassen
spitz bis zu breit gerundet und es erscheint gut vorstellbar,
dass
bei einem geographisch weiter gestreuten Material auch Zwischenformen zwischen einem
C. cuspidatus-
oder
C. pusillus-Rostrum
zu finden sind; das
C. tricuspidatus-Rostrum
scheint nahezu identisch mit dem von
C. birulai
. Ebenso sind die Unterschiede in Form und
Laenge
des Sensillus zwischen allen in Frage stehenden Arten so wenig distinkt,
dass
man sich
Uebergaenge
sowohl in der Gestalt des Sensillus, als auch in der Form des Rostrum sehr leicht vorstellen kann. Die Beschreibung der Art
C.
schuetzi
(Oudemans, 1902) nach van der Hammen (1952) macht nochmals die nahe Verwandtschaft mit
C. pusillus
deutlich; so
erwaehnt
er die deutliche, einseitig-antaxiale Beborstung der Rostralhaare, die langen Lamellarhaare, die scharfe Spitze der Lamellen, Merkmale, die auf
C. pusillus
ebenso zutreffen, allerdings auch auf
C. cuspidatus
. Eingehendere Untersuchungen an weiter gestreutem Material
koennten
die Abgrenzungen aller Arten der C. cuspidatus-Gruppe durchaus in Frage stellen. Auf dem
gegenwaertigen
Stand des Wissens
muessen
wir jedoch die genannten Arten als gute Arten auffassen, da sie in unserem Untersuchungsgebiet in engster Nachbarschaft vorkommen und hier die wenigen Unterscheidungsmerkmale doch alternativ auftreten. Hinzu kommt,
dass
sie offensichtlich auch verschiedene Mikrohabitate bewohnen:
C. cuspidatus
und
C. pusillus
die Bodenstreu, und zwar vorzugsweise die oberen Schichten, auch die L-Schicht, und
C. birulai
den Moosaufwuchs am
Stammfuss
.
Notabene: Die in Abbildung 4B bei Grandjean (1962:412) abgebildete Art
gehoert
sehr wahrscheinlich auch in die
C. cuspidatus-Gruppe
und zeigt
Ansaetze
zu einem dreispitzigen Rostrum.
C. longipilis Willmann
, 1953
duerfte
nicht mit
Globozetes longipilus
Sellnick, 1928 identisch sein und auch
C. tricuspidatus
Willmann, 1953
duerfte
ein
Chamobates
sein; dabei bleibt allerdings unklar, was die Gattung
Globozetes
ueberhaupt
von
Chamobates
unterscheidet. Aus der
C. borealis-Gruppe
mit gekerbtem Rostrum fanden wir
zunaechst
nur 5 Tiere in der Bodenstreu und zwar einer Art, die in
Groesse
und
Faerbung
C. cuspidatus
gleicht, aber einen kurzen,
keulenfoermigen
Sensillus besitzt; die seitlichen
Rostralzaehne
fehlen, statt dessen ist bei 3 Exemplaren eine deutliche mediane Incisur auf dem Rostrum zu erkennen, bei den beiden
uebrigen
nur eine winzige bzw. gar keine. Die 3 Exemplare mit Incisur lassen sich nach Sellnick (1960) und van der Hammen (1952) recht gut als
C. incisus van der Hammen
, 1952 bestimmen, eine Art, die auch unserer Auffassung nach
C.
schuetzi
sensu Sellnick
(1929) und Willmann (1931, Abb. 249a, nicht Abb. 249!)
einschliesst
.
Darueber
hinaus hat Forsslund (1956) die Synonymie dieser Arten mit
C. borealis
dadurch wahrscheinlich gemacht,
dass
er bei den
TRAEGARDHschen
Praeparaten
eine Rostralincisur nachgewiesen hat. Damit
schliessen
wir uns der in der Liste von Weigmann & Kratz (1981) angegebenen Namensgebung und Synonymie an und nennen unsere Exemplare mit Rostralincisur
C. borealis
(
Traegardh
, 1902), von
Traegardh
urspruenglich
als
Notaspis cuspidata (Michael) var. borealis
beschrieben. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen wurden dann mehrfach Tiere dieser Art, vor allem in Moos am
Fuss
der
Buchenstaemme
gefunden.
Die Rostralincisur ist offenbar ein recht variable Struktur, denn 2 unserer
fuenf
C. borealis-Exemplare
haben nur eine winzige bzw. keine Incisur. Sie sind von
C. cuspidatus
nach wie vor - wegen der fehlenden seitlichen
Rostralzaehne
und des
kuerzeren
Sensillus - klar zu unterscheiden, aber es scheint uns nicht mehr ausgeschlossen,
dass
auch
-
C.
schuetzi
in der Abbildung 249 bei Willmann (1931) zu
C. borealis
gehoert
, und
dass
-
C. interpositus
Pschorn-Walcher, 1953 ein
C. borealis
ist, denn eine
Koerperlaenge
von 410
ym
duerfte
auch von dieser Art erreicht werden und die
uebrigen
Merkmale widersprechen dieser Interpretation allenfalls
geringfuegig
. Weigmann (in litt.)
haelt
ihn aufgrund von Untersuchungen eigenen Materials allerdings
fuer
eine gute Art.
Abbildung 9.
Chamobates pusillus
(BERLESE, 1895): a) Prodorsum, c) Bothridialregion lateral;
Chamobates cuspidatus
(MICHAEL, 1884): b) Bothridialregion lateral.