Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete. Band 1. Pteridophyta bis Caryophyllaceae (2 nd edition): Registerzuband 1
Author
Hess, Hans Ernst
Author
Landolt, Elias
Author
Hirzel, Rosmarie
text
1972
Birkhaeuser Verlag
https://doi.org/10.5281/zenodo.291815
book
291815
10.5281/zenodo.291815
3-7643-0843-5
Picea
excelsa
(Lam.) Link
(P.
Abies
[
L.
] Karsten
P. vulgaris
Link
), Fichte, Rottanne
Groesse
ungefaehr
wie
Abies alba
. Flachwurzler
(keine Pfahlwurzel).
Krone
+/-
kegelfoermig
(auch bei alten
Baeumen
, die kein
Hoehenwachstum
mehr haben). Am Stamm bilden sich nicht
Klebaeste
wie bei
Abies alba
, und es richten sich selten Seitentriebe zu Gipfeltrieben auf (ausgenommen bei Gebirgssippen).
Rinde rotbraun
(tiefere Lagen) oder
grau
(Gebirge). Lebensdauer der Nadeln
5
-7 Jahre; Nadeln nur bei Schattenformen am Zweig
"gescheitelt"
. Einzeln stehende Pflanzen beginnen im Alter von 30-50 Jahren zu
bluehen
, solche in
Bestaenden
erst mit 60-70 Jahren.
Bluete
in tiefen Lagen alle 3-4 Jahre, im Gebirge alle 7-12 Jahre. ♂
Blueten
oft
ueber
die ganze Krone verteilt, 2-3 cm lang, aufrecht.
Zapfen
an der Spitze
vorjaehriger
Triebe, zuerst aufrecht, 4-5 cm lang,
spaeter
haengend
und 10-15 cm lang. Deckschuppen klein, weniger als
1/2
so lang wie die Fruchtschuppen. -
Bluete
:
Fruehling
; Samenreife im
spaeten
Herbst.
Zytologische Angaben. 2n = 24:
Zahlreiche
uebereinstimmende
Zaehlungen
in
Loeve
und
Loeve
(1961). Kiellander (1950) fand unter 1,2 Millionen Jungpflanzen
1 Triploide (2n
=
36
) und
22 Tetraploide (2n
=
48
)
; Polyploide
sind in der Natur also sehr selten; Wuchs langsam, wenig vital (stimmen mit Polyploiden
ueberein
, die durch Colchicinbehandlung erzeugt wurden). Nach Illies (1958) haben Jungpflanzen mit kurzen und dicken Sprossen und Nadeln
polyploides Meristem
(2n bis 70). Andersson E. (1947) untersuchte die Meiose.
Standort.
Urspruenglich
subalpin und seltener montan (800-2400 m). Saure bis extrem saure, podsolierte
Boeden
mit
+/-
maechtiger
Rohhumusauflage;
ueber
verschiedenem (auch kalkreichem) Muttergestein; in Gegenden mit hohen
Niederschlaegen
und
haeufiger
Nebelbildung, seltener in Gegenden mit kontinentalem Klimacharakter. Bildet in den Nordalpen meistens die Wald- und Baumgrenze. Wichtigste Assoziationen: 1.
Piceetum subalpinum
Br.
-Bl. 1936, von 1200-2000 m (selten schon bei 800-1000 m), in Gebieten mit mehr als 160 cm Niederschlag (
noerdliche
Ketten), in den trockeneren Zentralalpen nur in Gebieten mit
erhoehter
Luftfeuchtigkeit (
Nebelzugstrassen
,
Nebelloecher
,
Schattenhaenge
); gekennzeichnet durch die locker stehende Fichte mit
ueppig
entwickelter Zwergstrauchschicht (besonders aus
Vacciniumarten
). 2.
Piceetum montanum
Br.
-Bl. 1939, von 800-1400 m in den
Zentralalpentaelern
, mit 65-90 cm Niederschlag (selten bis 130 cm Niederschlag); gekennzeichnet durch die dicht stehenden Fichten mit
Kronenschluss
, am Boden deshalb nur Moos- und Krautvegetation. 3.
Piceetum transalpinum
Br.
-Bl. 1939, nur in den
Suedalpentaelern
von 800-1500 m, mit 120-160 cm Niederschlag, gekennzeichnet durch
Kronenschluss
wie im
Piceetum montanum
und reichlichem Vorkommen von
Saxifraga cuneifolia
.
4.
A splenio-Piceetum
Kuoch 1954, im Jura und in den Alpen, optimal von 1000-1400 m, auf Blockschutt, dem eine dicke Rohhumusschicht aufliegt; gekennzeichnet durch eine reiche Farn- und Moosvegetation. Eingehende Untersuchungen
ueber
die
urspruenglichen
Fichtenwaelder
(Standorte, Pflanzensoziologie von Braun-Blanquet, Pallmann und Bach 1954).
In der kollinen und untern montanen Stufe haben die Anpflanzungen der Fichte und damit die
Zerstoerung
der
urspruenglichen
Laubwaelder
vor 100-200 Jahren begonnen.
Verbreitung.
Urspruenglich
nordeuropaeische
Pflanze:
Norwegen, Schweden, Finnland,
noerdliches
Russland
(
ueberall
nordwaerts
bis zur 10°C-Juli-Isotherme, der Baumgrenze), Baltikum, Polen, mitteldeutsche Gebirge, Sudeten, Karpaten,
zentralfranzoesische
Gebirge, Alpen, Hochjura, Vogesen, Schwarzwald, dalmatinische Gebirge (sonst auf der Balkanhalbinsel nur vereinzelte und isolierte Vorkommen); in den
Pyrenaeen
wahrscheinlich nicht
urspruenglich
; in Sibirien die sehr nahe verwandte
P. obovata
Ldb. Verbreitungskarte von Meusel (1964)
. - Im Gebiet verbreitet und
haeufig
; unterhalb 800 m meist angepflanzt.
Bemerkungen.
P. excelsa
ist hinsichtlich Kronenform, Farbe der unreifen Zapfen und Form der Zapfenschuppen sehr vielgestaltig. In Beissners Nadelholzkunde (herausgegeben von Fitschen 1930) werden
110 Sippen
beschrieben. Lindqvist (1948) gibt geographische Verbreitung vieler Sippen an. Die Forstwirtschaft interessiert sich vor allem
fuer
die
standortsgemaeβen
Lokalrassen
und unterscheidet besonders zwischen
Fruehrassen
(
fruehzeitiges
Austreiben und
Bluehen
der Gebirgsfichten) und
Spaetrassen
(
spaetes
Austreiben und
Bluehen
der Fichten tieferer Lagen).
Die Fichte ist eine
Halbschatten-
oder
Lichtbaumart
und
gehoert
zu den wichtigsten
Waldbaeumen
Mitteleuropas; sie ist unter
guenstigen
Bedingungen
raschwuechsig
und liefert ein vielseitig verwendbares Holz. Wegen dieser wirtschaftlichen Vorteile, verbunden mit bescheidenen
Anspruechen
an den Standort, wurde die Fichte auch in niederen Lagen (Mittelland) ausgedehnt und oft in Monokulturen angepflanzt. Dadurch
Zerstoerung
der
natuerlichen
Fruchtbarkeit des Bodens durch Versauerung (Nadeln bilden saure Rohhumusauflage): Auswaschung von
Naehrstoffen
nahe der
Oberflaeche
und
Ausfaellung
in tieferen Bodenhorizonten (H+-Ionen mobilisieren
Naehrstoffe
in den obersten Horizonten), Vernichtung der Bodentiere (in sauren
Boeden
wenig
Wuermer
, usw., die den Boden durchmischen und
belueften
),
Naehrstoffentzug
durch Fichte in den obersten 30 cm des Bodens (Flachwurzler). Als Folge der
Zerstoerung
des Bodens stagnierendes Wachstum der Fichte und
Anfaelligkeit
fuer
Krankheiten (
holzzerstoerende
Pilze). In Lagen unter 800 m
muss
die Fichte
groesstenteils
wieder durch
standortsgemaesse
Holzarten ersetzt werden.
Wir verwenden den Namen
P.
Abies
nicht, da er verwirrend ist.