Zehn für manche geografische Regionen der Schweiz besonders bemerkenswerte Neufunde von Nachtgrossfaltern (Lepidoptera: Geometridae, Noctuidae, Thyatiridae / Drepaninae)
Author
Rezbanyai-Reser, Ladislaus
text
Entomo Helvetica
2013
2013-12-31
6
77
86
journal article
56120
10.5169/seals-986044
b0f70ec4-54c8-4bb5-a56b-29239ebad4f2
1662-8500
8056792
7880.
Charissa variegata
(Duponchel, 1830)
(
Geometridae
)
(
Abb. 2
/1)
Bauen
(UR),
Isleten
, Hoch Flue, Saum (
Abb. 3
),
630 m
, Koordinaten: 687.8/196.7, gelegentliche Lichtfänge. Fangdaten von
variegata
:
3.10.2011
(
1 Ex.
),
4.6.2012
(
1 Ex.
),
10.9.2012
(
1 Ex.
), alle drei in coll.
Natur-Museum Luzern
. – Neu für die Region Nordalpen bzw. für die Zentralschweiz.
– Eine xerothermophile Spannerart von gebüschreichen oder locker bewaldeten, oft felsigen Lebensräumen. In der
Schweiz
vor allem im
Tessin
in geeigneten Lebensräumen vielerorts anwesend. Die Imagines erscheinen meist nur vereinzelt am Licht (siehe z. B.
Rezbanyai-Reser 1993
,
2000b
oder 2005). Die zweite Generation ist in der Regel stets ein wenig häufiger.
C. variegata
ist auch aus dem
Wallis
und vom Westrand des Landes von Genf bis Basel bekannt. Die Entdeckung eines so stark isolierten Vorkommens in den Zentralschweizer Nordalpen ist sehr unerwartet, aber ökologisch betrachtet nicht unverständlich. Beim Fundgebiet handelt es sich um einen südostexponierten, steilen, felsigen, locker bewaldeten Hang. Er ist zum Teil mit Waldföhren
Pinus silvestris
bestockt und liegt in einem Föhntal, wo die durchschnittliche mittlere Januartemperatur in den tiefsten Lagen über 0°C liegt. Am gleichen Ort sind bei einem Lichtfang am
12.10.2007
auch mehrere Exemplare der ebenfalls mediterranen Eulenfalterart
Trigonophora flammea
(Esper, 1785)
(
Abb. 2
/6) gefangen worden (4. Europäische Nachtfalternächte – European Moth Nights EMN –http://euromothnights.uw.hu;
Rezbanyai-Reser 2007
). Am
3.10.2011
flogen bei Isleten
22 Exemplare
an. Weitere ähnliche Faunenelemente wären bei Isleten
Methorasa latreillei
(Duponchel, 1827)
und
Epilecta linogrisea
(Denis & Schiffermüller, 1775)
(siehe unten). Diese vier Arten sind aber in den relativ warmtrockenen Zentralschweizer Föhngebieten Gersau-Oberholz (SZ) (1979–1995) sowie Altdorf (UR) Vogelsang und Kapuzinerkloster (1979–1983) trotz regelmässigen Aufsammlungen nie gefunden worden (
Rezbanyai-Reser 1984a
,
1984b
und Rezbanyai-Reser & Schäffer 1999 bzw.
Rezbanyai-Reser 1994a
,
1994b
und
1995
). Es ist kaum anzunehmen, dass sie in den letzten Jahren bei Isleten eingewandert sind. Die Alpen bilden für eine rezente Einwanderung zu hohe Hindernisse. Alle vier Nachtfalterarten sind stark an ihre Lebensräume gebunden. Bei
E. linogrisea
sind jedoch einzelne Gelegenheitswanderungen zu vermuten. Da sich das Fundgebiet relativ weit von den Gotthard-Verkehrsadern erstreckt, und weil sich diese Arten nicht an Nutzpflanzen entwickeln, kann auch eine Einschleppung ausgeschlossen werden. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Relikte aus der postglazialen Wärmezeit, von denen mehrere in nordalpinen Föhrengebieten bekannt sind. Die Einwanderung erfolgte bei diesen vier Arten vermutlich nicht aus Osten oder Westen, sondern direkt aus Süden durch das Gotthardgebiet. Sie konnten sich in der Zentralschweiz anscheinend nicht weiter ausbreiten und zogen sich an lokale Spezialstandorte zurück. Da Aufsammlungen bei Isleten bis Ende 2013 geplant sind, können wir mit Spannung erwarten, ob diese Arten dort erneut gefunden werden und sich zu ihnen auch weitere ähnliche Faunenelemente gesellen.