Das Siedlungsgebiet bei Bern als Lebensraum des Malven- Dickkopffalters Carcharodus alceae (Esper, 1780) (Lepidoptera: Hesperiidae)
Author
Albrecht, Martin
text
Entomo Helvetica
2012
2012-12-31
5
147
156
journal article
54425
10.5169/seals-986132
3251e69b-8d18-4345-87f8-768a3ba9a56b
1662-8500
8043953
Lebensräume von
Carcharodus alceae
Es konnten zwei typische Habitate festegestellt werden, in denen sich die Larven des Malven-Dickkopffalters entwickeln:
• Zier- und Nutzgärten mit den Zierpflanzen
Alcea rosea
(Stockrose)
und
Malva sylvestris mauritiana
(Mauretanische Malve)
(
Abb. 2
&
3
).
• Strassenböschungen und -randstreifen mit
Malva sylvestris
(Wilde Malve)
,
M. alcea
(Rosen-Malve)
und
Alcea rosea
(
Abb. 1
&
4
).
Abb. 4. Blattgespinst und Frassspuren einer erwachsenen Raupe von
C. alceae
an
Alcea rosea
(Ittigen, 21.9.2008).
Die letztgenannte Pflanze wurde hier jedoch nicht gezielt angepflanzt sondern war verwildert.
Nahrungspflanzen
Eier und Raupen wurden an folgenden Pflanzenarten gefunden:
•
Alcea rosea
(Stockrose)
: 34 Stellen
•
Malva sylvestris
(Wilde Malve)
: 4 Stellen
•
Malva sylvestris mauritiana
(Mauretanische Malve, Gartenform)
: 1 Stelle
•
Malva alcea
(Rosen-Malve)
: 1 Stelle
Von allen Stellen waren lediglich die mit
M. sylvestris
und
M. alcea
(12.5 Prozent) nicht gezielt angepflanzt.
Phänologie
Wie die üblicherweise in zwei Wellen im Mai/Juni und Juli/August auftretenden Eiund Raupenfunde zeigen, tritt
C. alceae
im Untersuchungsgebiet normalerweise in zwei Generationen im Jahr auf. Dabei sind Schwankungen um mehrere Wochen in Abhängigkeit von der Wetterentwicklung möglich. Die Ermittlung der genauen phänologischen Entwicklung inklusive Ausnahmen wie z.B. das Auftreten einer partiellen dritten Generation kann jedoch nur durch gezielte und zeitintensive Untersuchungen im Freiland in Kombination mit Zuchtexperimenten erfolgen und soll hier nicht weiter vertieft werden.
Abb. 5. L
5
-Larve von
C. alceae
an
Alcea rosea
in geöffnetem Blattgespinst (Ittigen, 8.9.2008). Mit dem kugeligen Kopf und den gelben Flecken auf dem Nackenschild sind die Raupen unverwechselbar.
Diskussion
Das Vorkommen von
Carcharodus alceae
an Malvengewächsen in Gärten ist seit langem bekannt und dieses synanthrope Auftreten ist wohl der Grund, warum die Biologie des Malven-Dickkopffalters bereits zu einer Zeit gut untersucht war, als die Ökologie aller anderen Arten der
Hesperiidae
noch völlig unerforschtes Gebiet war. Die zahlreichen Funde von Präimaginalstadien von
C. alceae
im Untersuchungsgebiet zeigen, dass diese Art hier gut etabliert und ein fester Bestandteil der Fauna ist, was durch weitere punktuelle Beobachtungen in den Jahren 2009 bis 2011 bestätigt werden kann.
Lebensräume: In der Literatur (z.B.
Pro Natura 1997
) wird wiederholt darauf hingewiesen, dass
C. alceae
als Art mediterranen Ursprungs vor allem trockenwarme Stellen besiedelt. Es werden u.a. folgende Larvalhabitate genannt: In der
Schweiz
vor allem Rebberge, «aber auch an trockenwarmen Lokalitäten wie z.B. in Kiesgruben, Steinbrüchen, Gärten und an Ruderalstellen» (
Pro Natura 1997
).
Ebert & Rennwald (1991)
erwähnen u.a. Strassenböschungen, Hochwasserdämme und Ruderalstellen. Sie bemerken, «Gärten spielen eine Nebenrolle»; auch
Reinhardt et al. (2007)
erwähnen, dass Gärten nur «ausnahmsweise» als Reproduktionshabitat dieser Art dienen.
Wermeille & Carron (2005)
sehen dies ebenso: «Avec 6,1% des sites occupés, les jardins ne jouent probablement qu’un rôle accessoire, la majorité des Malvacées que nous avons examinées dans les jardins n’abritant d’ailleurs pas le papillon.» Zumindest für den Raum Bolligen/Ittigen zeigt sich jedoch, dass der Siedlungsraum ein wichtiges und regelmässig genutztes Entwicklungshabitat von
C. alceae
darstellt. In der umgebenden, intensiv genutzten Agrarlandschaft sind dagegen Vorkommen der Nahrungspflanze nur vereinzelt an Strassenrändern und in Buntbrachen anzutreffen.
Abb. 6. Raupen-Nachweise von
C. alceae
im Raum Bolligen/Ittigen, August/September 2008. Bildlegende: Rote Punkte: Nachweise an
Alcea rosea
, gelbe Punkte: Nachweise an
Malva
sp.
, x: Nahrungspflanzen ohne Raupen. Kartengrundlage: © Swisstopo.
Eine deutliche Tendenz zur Ausbreitung ist beim Malven-Dickkopffalter unverkennbar, auch wenn diese weitaus weniger Beachtung findet als beispielsweise bei
Pieris mannii
(Mayer, 1851)
(vgl.
Ziegler 2009
). Die Situation in der Ostschweiz und insbesondere
Graubünden
bedarf weiterer Abklärungen. Fehlende Meldungen hier könnten auch mit geringer Beobachtungsaktivität zusammenhängen (Jürg Schmid pers. Mitt.). Es fällt auf, dass
C. alceae
zumindest als Falter jetzt auch in früher für ihn ungeeignet erscheinenden Lebensräumen gefunden werden kann. So liegen aus den letzten Jahren Beobachtungen von blütenbesuchenden Tieren in Pfeifengraswiesen im
Kanton Zürich
vor (eigene unveröffentlichte Beobachtungen 2010 und Joris Egger pers. Mitt.), welche eigentlich typische Habitate von
C. floccifera
wären bzw. waren.